Reihe: Der ptv Sachsen stellt sich vor

Heute blicken wir in den Landkreis Görlitz und stellen die bunte und vielfältige Arbeit in unseren Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen (PSKB) in Zittau und Ebersbach/ Neugersdorf vor.

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Was sind die Aufgaben in eurem Bereich?
Die Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen sind ein offenes Angebot, mit einem niedrigschwelligen Zugang. Zielgruppen sind dabei vor allem Menschen mit psychosozialen Problemen oder psychischen Störungen und Erkrankungen ebenso wie deren Angehörige.
Die Kontakt- und Beratungsstellen sind dabei als ergänzender Bestandteil im gemeindepsychiatrischen Hilfesystem des Landkreises Görlitz zu verstehen.
Das Handeln der Fachkräfte orientiert sich am Leitgedanken „ambulant vor stationär“ und hat zum Ziel, Hilfesuchende in ihrem sozialen Lebensumfeld, wohnortnah zu unterstützen.

Welche Werte lebt ihr dabei?
Die Mitarbeitenden der Kontakt- und Beratungsstellen verfolgen einen menschenrechtsorientierten wie auch ganzheitlichen Ansatz, in welchem seelische, soziale, physische wie auch spirituelle Aspekte mitgedacht werden. Zudem wird sich bei der Arbeit an den Ressourcen und Stärken der Hilfesuchenden orientiert. Sie werden als Expert*innen für ihr Leben gesehen und geachtet. Ziel ist es, Hilfen anhand eines partnerschaftlichen Dialogs zu entwickeln und Selbsthilfekräfte zu stärken.

Was ist euer Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen vergleichbaren Einrichtungen/ Angeboten?
Im Planungsraum 4 und 5 des Landkreise Görlitz sind die Kontakt- und Beratungsstellen ein einmaliges Angebot. Menschen, die sich in seelischen oder sozialen Notlagen befinden, wird durch sie ein niedrigschwelliger Zugang zu Hilfen ermöglicht, den es in vergleichbarer Weise vor Ort nicht gibt. Insbesondere Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen können somit einen geschützten Raum zur Stabilisierung oder auch zur sozialen Wiedereingliederung finden.
Der Austausch mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst, den stationären Einrichtungen der Umgebung sowie ansässigen PsychotherapeutInnen ist dabei wichtig, um das regionale Helfernetzwerk aufrechtzuerhalten und zu pflegen.
Weiterhin zeichnen sich die Kontakt- und Beratungsstellen durch ein breites Spektrum an Angeboten aus. Neben der individuellen Einzelfallhilfe gibt es vielfältig gestaltete Gruppenangebote. Dazu zählen Ausflüge, gemeinsames Essen, Kreativangebote sowie Bewegungs- und Entspannungseinheiten.
Die Lage im Dreiländereck lässt uns immer wieder auch nach Tschechien und Polen schauen. Es gibt bis heute Kontakte zu tschechischen Betroffenen.
Besonders empfinden wir zudem die Möglichkeit, in Kooperation mit der Stadt Zittau und dem Europäischen Sozialfond, Kurse zur seelischen Gesundheit anbieten zu können.

Was war der Anlass für die Gründung des Bereichs und wie hat sich der Bereich seitdem entwickelt?
Die Wendezeit um 1989 war nicht nur von der Wiedervereinigung von Ost und Westdeutschland geprägt, sondern auch von einer umfassenden Psychiatriereform. Es fing mit der Psychiatrie-Enquêtee als umfassende Bestandsaufnahme der psychiatrischen Situation in Deutschland um 1971 an. 1981 begann Klaus Dörner ein Modellprojekt, in welchem Langzeitpatienten aus Kliniken entlassen wurden.1991 wurden die ersten Trialoge zwischen Betroffenen, Helfern und Angehörigen eingeführt und Menschen mit psychischen Erkrankungen wurden einbezogen und waren nicht mehr nur zu behandelnde Subjekte. Die ambulante Psychiatrie sollte nun möglichst die erste Wahl sein.
Familie Tasche hat sich in Zittau mit ähnlich denkenden zusammengetan und in Folge dessen entstand 1992 der Verein Albatros mit der 1995 gegründeten Kontakt- und Beratungsstelle für Menschen mit psychischen Problemen. Das war bis 2012 das einzige Angebot dieser Art im Landkreis Görlitz.

Wie hat sich der Bereich seitdem entwickelt?
Die Frequentierung des Angebotes hat die Notwendigkeit einer Kontakt- und Beratungsstelle bestätigt. Neben Beratung wurden nach und nach Selbsthilfegruppen gegründet. Es etablierten sich tagesstrukturierende Zeiten, welche regelmäßig von vielen Betroffenen genutzt wurden.
Selbst in Zeiten von finanziellen Problemen der Landkreise im Osten, schafften wir es, das Angebot für unsere Nutzer*innen aufrechtzuerhalten. Dies gelang mit der Aktion Mensch, welche uns für einige Zeit finanzierten.
Seit 2012 gibt es ein Angebot in Ebersbach/ Neugersdorf. Dort wurde der große Bedarf auch in den dörflichen Regionen sichtbar. Sehr schnell entstand eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Ängsten.
Leider wurden die Personalkosten für unsere Kontakt- und Beratungsstellen zugunsten von drei weiteren niedrigschwelligen Kontaktmöglichkeiten in dem großen Landkreis stark gekürzt und damit unsere Möglichkeiten reduziert.

Gab es Umzüge oder andere Veränderungen?
2007 wurde der zunehmende bürokratische Aufwand für einen ehrenamtlichen Verein zu groß und es wurde ein Träger gesucht, welcher die Ziele und Aufgaben in unserem Sinne weiterführen könnte. Mit dem Psychosozialen Trägerverein Sachsen e.V. fanden wir diesen. Der ehrenamtliche Vorstand wurde entlastet. Auch in Folge dessen ist die Kontakt- und Beratungsstelle innerhalb von Zittau umgezogen. Leider gibt es immer wieder unvorhergesehene Ereignisse und so ist immer wieder die Flexibilität der Mitarbeitenden und mitunter auch der Nutzer*innen gefragt. So müssen gerade durch einen Wasserschaden ausweichende Möglichkeiten für die Gruppen genutzt werden.

Was waren die Höhepunkte/ Meilensteine in den vergangenen Jahren?
Zu den Höhepunkten gehören neben den altbekannten Feierlichkeiten zum Jahresende auch stets die Kunsttage sowie gelegentliche Urlaubsfahrten.

Eine weitere Besonderheit ist das psychosoziale Forum welches im Rahmen der „Aktionswoche der seelischen Gesundheit“ stattfindet ebenso wie das Filmprojekt „Kamera Sensibel“.

Zu nennen ist auf alle Fälle auch das langjährige Arbeitsprojekt auf dem Gelände der alten Schlossbrauerei in Hörnitz. Hier wurde deutlich, wie wichtig sinnvolle Arbeit und Gemeinschaft sind. Einige schöne Momente und Anekdoten sind dort entstanden.

Gibt es Anekdoten oder persönliche Geschichten, die einen Einblick in die Arbeit des Bereichs geben?
Die Kunsttage haben in Zittau und Ebersbach bereits eine lange und erfreuliche Tradition. Einige Jahre wurden sie sogar in Kooperation mit Polen und Tschechen zu einem internationalen Treffen. Puppenbau, Theater, Fotowerkstatt, Malen, Bildhauerei, Musik, Landart und Trommeln – die Bandbreite von wohltuenden Workshops war und ist breit. Angeleitet werden sie von regionalen Künstlern. Zum Abschluss gibt es dann öffentlich eine Vernissage und ein Abschlussfest mit Livemusik oder Theaterspiel.

Ein besonderes Highlight für die Besuchenden der Kontakt und Beratungsstelle ist 2024 wieder die Urlaubsfahrt nach Sylt gewesen. Schon zum zweiten Mal machten sich Mitarbeitende und Besuchende der PSKB Zittau zusammen mit der PSKB aus Dresden auf den Weg an die Nordsee, um gemeinsam eine Woche lang eine Auszeit auf der nordfriesischen Insel zu genießen.

Viele Menschen nutzen unsere Einrichtung. Es sind viele „Originale“ dabei und es gäbe viele Geschichten zu erzählen.
Bei einem Gottesdienst predigte der Pfarrer, dass Jesus Christus wiedergeboren wird. Da steht unser Herr L. auf uns sagt laut in die Gemeinde: „JA, ICH BIN DER WIEDERGEBORENE!“

Was sind eure Visionen/ Ziele für die nächste Zeit?
In erster Linie freuen wir uns mit Blick auf die öffentliche Förderung, wenn wir unsere abwechslungsreichen Angebote weiterhin aufrechterhalten können. Zur Arbeit gehört unbedingt ein professionelles, engagiertes und stabiles Team von Mitarbeitenden. Davon dürfte es gerne etwas mehr sein.

Wie sieht der Blick in die Zukunft aus?
Aufgrund von Bauarbeiten sind die Räumlichkeiten der psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle in Zittau derzeit nur eingeschränkt nutzbar. Zwar bieten die Ausweichräume die Möglichkeit, unsere Angebote fortzuführen dennoch freuen sich unsere Besuchenden wie auch wir Mitarbeitenden darauf, unsere lieb gewonnene Kontakt- und Beratungsstelle wieder zu eröffnen.

Welche Projekte sind geplant?
Wir freuen uns bereits jetzt, dass wir auch im kommenden Jahr wieder zusätzlich zur eigentlichen Arbeit, die vom Europäischen Sozialfonds finanzierten Kurse zur Stärkung der seelischen Gesundheit anbieten können.

Zudem wollen wir weiter! Wir möchten ein Stück auf dem Jakobsweg Richtung Prag weiterpilgern. Dabei kann man gut zur Ruhe kommen oder/und an seine persönlichen Grenzen. Dennoch ist Gemeinschaft möglich und Gespräch.

Wie würdet ihr eure Arbeit in einem Satz zusammenfassen?
Unsere Arbeit ist bunt und vielfältig. Dennoch ist die Stimmung von Menschen mit psychischen Erkrankungen oft grau.
Wenn sich in besonderen Momenten, in einem Gespräch oder bei einem Fest, ein Lächeln in ein Gesicht schleicht oder es warm im Bauch wird, dann sind das die schönsten Momente. Dann wird manchmal aus grau ein bunt und es entsteht Hoffnung.

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